Ausschreibungen

Umfrage zu Stoma- und Inkontinenz-Versorgung: Nach Ausschreibungen und Versorgerwechsel beklagt ein Drittel der Betroffenen eine schlechtere Beratung

Der erzwungene Wechsel des Hilfsmittel-Versorgers nach einer Ausschreibung durch die Krankenkasse hat negative Folgen: Nach einer aktuellen Umfrage der Initiative "Faktor Lebensqualität" im BVMed sind 32 Prozent der Patienten, die auf ableitende Inkontinenz- und Stoma-Hilfsmittel angewiesen sind, mit dem Beratungsservice des neuen Lieferanten nicht zufrieden. Ein Drittel der Befragten erwägt den Wechsel der Krankenkasse. Diese Ergebnisse bestätigen die Tendenz, dass Ausschreibungen der Krankenkassen die Versorgungsqualität der Patienten verschlechtern, so der BVMed.

Nach der Umfrage wurde nur je einem Drittel der Anwender nach dem Wechsel ein persönlicher Ansprechpartner oder Therapeut genannt. Außerdem musste laut Umfrage jeder vierte Anwender mit dem Versorger auch die benötigten Produkte wechseln. Mehr Betroffene als zuvor sind mit den neuen Produkten nicht zufrieden. 39 Prozent von ihnen bewerten diese als nicht gut geeignet. Bemängelt wird eine schlechtere Qualität und Handhabe sowie die fehlende Beratung.

In der Vergangenheit haben mehrere Krankenkassen die Lieferung und Versorgung mit Stoma- und ableitenden Inkontinenz-Hilfsartikeln ausgeschrieben. Die in der Initiative „Faktor Lebensqualität“ zusammen geschlossenen BVMed-Unternehmen sehen darin einen Verstoß gegen das im April 2017 verabschiedete neue Heil- und Hilfsmittel-Versorgungsgesetz (HHVG). Dieses lässt Ausschreibungen nicht mehr zu, wenn Hilfsmittel individuell angefertigt werden müssen oder die Versorgung mit einem hohen Dienstleistungsanteil verbunden ist. Aus Sicht der Initiative trifft dies auch auf ableitende Inkontinenz- und Stoma-Hilfsmittel zu, die damit nicht ausschreibungsfähig sind.

Die Umfrage-Ergebnisse bestätigen in der Tendenz die Befürchtung der Hersteller und Homecare-Unternehmen der Initiative „Faktor Lebensqualität“, dass die Versorgungsqualität der Patienten unter den Ausschreibungen leidet. In diesem sehr individuellen und intimen Versorgungsbereich ist eine qualifizierte Beratung auch aus medizinischen Gründen unbedingt notwendig, da anderenfalls schwere Folgeerkrankungen riskiert werden. Eine auf reine Kostenersparnis zielende Ausschreibung von Leistungen gefährdet das Patientenwohl und schränkt die Lebensqualität der Betroffenen ein.

Nach dem Versorgerwechsel müssen laut Umfrage weniger Patienten eine Aufzahlung leisten. Die Änderung der Produkte wurde den Patienten nur in der Hälfte der Fälle begründet. Als einer der wesentlichen Gründe dafür wurde ihnen gegenüber der Preis genannt. Einige Patienten haben aus dem Versorger-Wechsel bereits Konsequenzen gezogen: 5 Prozent der befragten gesetzlich Versicherten haben die Krankenkasse schon gewechselt. Für weitere 34 Prozent ist ein Krankenkassenwechsel vorstellbar.

Der BVMed macht darauf aufmerksam, dass Betroffene bei ihren Krankenkassen Widerspruch gegen eine nicht zweckmäßige oder nicht ausreichende Versorgung einlegen können. Die Patienten sollten die geänderte Versorgungssituation genau überprüfen und gegebenenfalls einen Einspruch oder den Krankenkassenwechsel erwägen. Die Initiative „Faktor Lebensqualität“ stellt dazu Informationen im Internet unter www.faktor-lebensqualitaet.de/widerspruchsrecht zur Verfügung.

Zum Hintergrund:

Die Versorgung von Patienten mit einem künstlichen Darmausgang (Stoma) oder ableitenden Inkontinenzprodukten (Katheter) betrifft einen sehr sensiblen Bereich und erfordert eine individuelle Beratung und Anleitung. Die Auswahl, das Anpassen und das Erklären der Handhabung sind sehr dienstleistungs-intensiv. Da sich die Krankheitsbilder individuell unterscheiden und ändern, muss die Hilfsmittelversorgung regelmäßig angepasst werden.

An der Befragung durch die pollytix GmbH im Auftrag der Initiative "Faktor Lebensqualität" haben 79 Anwender von ableitenden Inkontinenz- und Stoma-Hilfsmitteln teilgenommen, die in den vergangenen Monaten ihren Versorger gewechselt haben.

Die 2013 gegründete Initiative "Faktor Lebensqualität" hat sich zum Ziel gesetzt, die Lebensqualität von Stoma-Trägern und Katheter-Patienten zu verbessern. Die Initiative wird unter dem Dach des BVMed von führenden deutschen Herstellern und Leistungserbringern betrieben.
  • Weitere Artikel zum Thema
  • BVMed-Whitepaper Hilfsmittelversorgung fordert Anspruch auf Therapieberatung und -management

    Der BVMed legt in einem umfangreichen „Whitepaper Hilfsmittelversorgung“ konkrete Maßnahmenvorschlägen zur Stärkung der Hilfsmittelversorgung vor. Er plädiert außerdem für die Stärkung ambulanter Strukturen durch Einbeziehung qualifizierter Fachkräfte der Hilfsmittel-Versorger vor. Der deutsche MedTech-Verband fordert unter anderem die Einführung eines Anspruchs der Versicherten auf Therapieberatung und -management, insbesondere bei Versorgungen mit beratungsintensiven Hilfsmitteln in komplexen Versorgungssituationen. Außerdem sollten auch die Fachkräfte der Hilfsmittel-Leistungserbringer in komplexe ambulante Versorgungsfälle einbezogen werden. Das BVMed-Whitepaper enthält zudem Vorschläge, um die Chancen der Digitalisierung besser zu nutzen und Bürokratie abzubauen. Mehr

  • BVMed: ePA-Zugriffsrechte im Hilfsmittelbereich nachbessern

    In der aktuellen Diskussion um die elektronische Patientenakte (ePA) hat der BVMed Nachbesserungen bei den Zugriffsrechten gefordert. So sei es für die Ermittlung der notwendigen Versorgung von Patient:innen für Gesundheitshandwerke, Sanitätshäuser und Homecare-Versorger unter anderem wichtig, ärztliche Dokumente und Erhebungen einzusehen, die heute nur mit viel Aufwand und Zeitverzug einbezogen werden können. Deshalb benötigen die Hilfsmittel-Leistungserbringer und Homecare-Versorger Lese- und Schreibrechte auf die ePA. Mehr

  • Spezialisierte Pflegefachkräfte in die Versorgungskonzepte einbinden

    Der BVMed unterstützt das Ziel der Bundesregierung, mit einem Pflegekompetenzgesetz die Befugnisse von Pflegefachkräften ihren Kompetenzen entsprechend auszuweiten. Das Bundesgesundheitsministerium hatte dazu Ende Dezember 2023 ein Eckpunktepapier vorgelegt. „Es ist gut, dass nun ein umfangreiches Konzept diskutiert wird, um die Pflege besser bei der Gestaltung einer qualitativ hochwertigen Versorgung einzubeziehen“, so BVMed-Expertin Juliane Pohl. Dabei müssten alle zur Verfügung stehenden Pflegeexpert:innen in die Versorgungskonzepte eingebunden werden. Mehr


©1999 - 2024 BVMed e.V., Berlin – Portal für Medizintechnik